Ausbreitung von Hirntumoren mit Hilfe von Prinzipien der Flüssigkeitsphysik erklärt
Josef Käs von der Universität Leipzig und Ingolf Sack von der Charité-Universitätsmedizin Berlin haben gezeigt, dass die Ausbreitung von Hirntumorzellen sowohl von ihren physikalischen als auch biomechanischen Eigenschaften abhängt. Den Forschern zufolge verändert eine kleine Veränderung in der Elastizität von Gliomzellen - dem gefährlichsten Hirntumor - seine Fähigkeit, Metastasen zu bilden, erheblich.
Sack ist Chemiker und Käs ist Physiker. Beide sind auf die Erforschung von Krebs spezialisiert, allerdings aus unterschiedlichen Perspektiven. Sack untersucht die mechanischen Eigenschaften von Geweben und hat die Technik der Magnetresonanz-Elastographie entwickelt, eine Kombination aus niederfrequenten Schwingungen und Magnetresonanz. Es wird verwendet, um den Verlauf von Krankheiten zu verfolgen. Käs hingegen arbeitet mit eine optische Falle, in der weiche Miniaturobjekte wie Zellen mit Hilfe von Lasern verformt werden können, um ihre Elastizität und Verformungsfähigkeit zu untersuchen.
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Bereits vor zwei Jahren stellten die beiden Wissenschaftler fest, dass Gliomzellen weicher und weniger klebrig sind als Krebszellen von nicht bösartigen Tumoren. Da ein Gliom schwer zu entfernen ist, weil es kleine "Tentakel" in das umliegende Gewebe ausstreckt, erkannten die Wissenschaftler, dass die Ausbreitung dieses Krebses nur durch die Gesetze der Physik gesteuert werden kann. Das Auftreten solcher "Tentakel" ist ein bekanntes Phänomen in der Flüssigkeitsphysik, wenn eine Flüssigkeit mit geringer Viskosität in eine andere Flüssigkeit eingeleitet wird.
Den Forschern gelang es, acht Patienten für die Studie zu rekrutieren, vier mit gutartigen Hirntumoren und vier mit bösartigen Tumoren, darunter drei mit Gliomen. Die Ergebnisse der Studie haben die Forscher selbst überrascht. Das Bemerkenswerte war, dass sich die mechanischen Eigenschaften einer einzelnen Zelle in den mechanischen Eigenschaften des gesamten Gewebes widerspiegelten, sagt Käs. Die gewonnenen Daten deuten jedoch auf ein komplexeres Bild hin als nur auf klebrige Zellen, die einen klebrigen Tumor bilden.
Nach früheren Studien waren bösartige Tumore weicher und weniger zähflüssig als gutartige Tumore. Allerdings, und das war das Überraschende, waren die Zellen, die sie bildeten, nicht weniger zähflüssig. Es stellte sich heraus, dass es vor allem auf die Dehnungsfähigkeit und Elastizität der Zellen ankam. Dies korrelierte mit der Fähigkeit des Gewebes zu "fließen". Um sich ausbreiten zu können, mussten sich die Tumorzellen zwischen anderen Zellen hindurchzwängen können. Den Forschern zufolge ist diese Flexibilität und nicht die Viskosität der wichtigste Faktor für die Fähigkeit eines Gewebes, sich auszubreiten.
Krebszellen müssen keine besonderen genetischen Veränderungen vornehmen, um den Prozess der "Ausstreckung ihrer Tentakel" zu beginnen. Alles, was sie brauchen, sind die richtigen mechanischen Eigenschaften. Dies sei ausreichend für hochinvasives Gewebewachstum, so Käs.
Die Entdeckung der deutschen Wissenschaftler ist aus therapeutischer Sicht sowohl eine schlechte als auch eine gute Nachricht. Die schlechte Nachricht ist, dass mechanische Eigenschaften schwieriger zu stören sind als molekulare Prozesse. Die gute Nachricht ist, dass wir jetzt den Mechanismus kennen. Wenn physikalische Veränderungen einen Tumor bösartiger machen können, können sie ihn auch gutartiger machen. Das Verständnis dieses Prozesses könnte in Zukunft zur Entwicklung neuer Therapien beitragen.